Google verspricht: Blue Links bleiben. Wirklich?

(Ich beziehe mich auf die Aussagen eines Google Mitarbeiters auf The Verge)
TL;DR
Google hat auf die Klage von Penske Media (u. a. Herausgeber von Rolling Stone) reagiert und betont, dass die klassischen „Blue Links“ in der Suche bleiben. Laut Markham Erickson (Vice President Government Affairs & Public Policy bei Google) sei dies ein „wichtiger Teil des Ökosystems“. Gleichzeitig werde aber die Rolle von KI-Zusammenfassungen (AI Overviews) immer größer, und die Präsentation der Suchergebnisse verschiebe sich grundlegend.
Google verspricht also Kontinuität – und bereitet parallel den Umbau seines Geschäftsmodells vor.
Googles Nebelkerze vom „gesunden Ökosystem
Der zynische Spin: „Wir haben euch Traffic geschenkt“
Google behauptet wörtlich: „Man habe Nutzer kostenlos zu Milliarden von Publikationen auf der Welt geschickt.“
Das klingt, als müsse die Welt Google dankbar sein. Aber die Realität ist eine andere: Google hat über Jahrzehnte genau von diesen Inhalten gelebt. Ohne Websites, Artikel, Blogs, Studien, Videos gäbe es nichts zu verlinken. Keine Blue Links, keine KI-Zusammenfassungen, kein Milliardenbusiness.
Google hat nicht gegeben, sondern genommen. Sie haben das Wissen der Welt indexiert, Werbung darübergelegt – und so ein Monopol aufgebaut, das heute die gesamte Informationsinfrastruktur kontrolliert.
KI als Endspiel: Inhalte werden ausgesaugt
Die AI Overviews und der neue AI Mode zeigen brutal deutlich, wohin die Reise geht:
- Informationen werden aus fremden Quellen abgesaugt.
- Nutzer werden die Antwort direkt auf Google sehen.
- Der Klick auf die Quelle? Überflüssig.
Das bedeutet: Publisher, Journalisten, Wissenschaftler, Kreative – alle, die Inhalte produzieren – werden zu bloßen Zulieferern degradiert, während Google die Wertschöpfung abschöpft.
Der neue Google AI Mode kommt demnächst
Sieht nicht mehr aus wie Google, oder?
Das wird vermutlich ab Sommer 2026 die neue Standard-Suchansicht bei Google werden.
Die Farce vom „gesunden Ökosystem“
Google redet von einem „dynamischen Raum“ und einem „wichtigen Ökosystem“. Das ist reines Framing.
- „Ecosystem“ klingt nach Natur, nach Gleichgewicht.
- Tatsächlich ist es eine Monokultur, die von Google dominiert wird.
- Wer von deren Algorithmen abhängig ist, lebt gefährlich. Wer nicht spurt, verschwindet in der Unsichtbarkeit.
Politische Nähe und Marktmacht
Vergessen wir nicht die andere Seite: Google ist längst kein rebellisches Start-up mehr, sondern ein politisch bestens verdrahteter Medien- und Techgigant, der
- Lobbyarbeit in Milliardenhöhe betreibt,
- sich bei Regulierungsbehörden und Politik anbiedert,
- Kartellvorwürfe in zig Ländern am Hals hat.
Kurz gesagt: Googles oberste Loyalität gilt nicht den Nutzern, sondern den Aktionären.
„Don’t be evil“ ist tot
Die ursprüngliche Firmenmaxime war einmal: „Don’t be evil.“
Heute ist davon nichts übrig.
Statt Verantwortung übernehmen sie Nebelkerzen-PR:
Sie „versprechen“, die Blue Links und damit wenigstens eine Möglichkeit, ein Geben und Nehmen zu erzielen, zu behalten.
Gleichzeitig bauen sie eine Infrastruktur, in der Inhalte-Schöpfer systematisch entwertet und enteignet werden.
Fazit
Googles Versprechen, die klassischen Blue Links zu erhalten, ist nichts anderes als ein Beruhigungspillen-Manöver. In Wahrheit ist längst klar, wohin die Entwicklung geht: Google will Nutzer auf der eigenen Plattform halten, den Content der Welt aufsaugen – und den Löwenanteil des Profits selbst einstreichen.
Es ist höchste Zeit, dass wir diesen Mythos vom wohlwollenden Internet-Gärtner ablegen. Google ist geworden, was es nie sein wollte: ein Konzern, der seine Marktmacht gnadenlos für Renditen nutzt, User verkauft und Inhalte-Schaffende an den Rand drängt.
Das Ökosystem, von dem Google spricht, sind wir alle. Und genau dieses Ökosystem wird gerade von Google selbst zerstört.
PS: Und wer trägt die Schuld an dieser Misere?
Am Ende wir alle. Über Jahre hat die Mehrheit von uns – oft wider besseren Wissens, manchmal aus schierer Bequemlichkeit, manchmal aus Gier – mitgespielt und Google die Deutungshoheit über das Netz praktisch kampflos überlassen. Das Ergebnis sehen wir heute.
Authors
Carsten Feller
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